Ein Vorbild - zwei Modelle:
Re 482 von Piko und Märklin im Vergleich
Die Re 482
der SBB Cargo ist das Flagschiff des Unternehmens. Das auffällige, weisse
und übergrosse Logo auf den Blau/roten Loks sieht man recht häufig, nicht
nur auf Schweizer Schienen. Denn die Lok ist für den internationalen
Güterverkehr konzipiert und zugelassen worden. Vor allem die Nord/Süd
Verbindungen werden mit dieser modernen Elektrolok bedient.
Als Modell wurde die Lok in H0
bereits vor zwei Jahren von Piko auf den Markt gebracht. Seit Ende 2004 ist
das Modell nun auch von Märklin erhältlich. Ich habe beide Modelle getestet
und möchte die Ergebnisse nun hier vorstellen.
|
Diese beiden Kandidaten treten gegeneinander an -
obwohl, ganz fair ist der Kampf wohl nicht. Das Piko Modell war schon
lange vor dem Märklin Modell auf dem Markt. |
Beide Modelle zielen auf den Hobby
Markt: Mit vereinfachter Bauweise und einem sehr günstigem Preis sollen
vorrangig nicht Modellbahner mit höheren Ansprüchen, sondern vor allem Einsteiger und
Kinder angesprochen werden.
Das Antriebskonzept ist bei beiden gleich: Ein mittig längs eingebauter
Standard-Motor chinesischer Herkunft treibt über zwei Kardanwellen und
Schnecken alle Achsen beider Drehgestelle an. Ein Digitaldecoder mit
minimalen Funktionen sorgt für den Betreib der Lok sowohl konventionell
analog wie auch digital im Märklin Motorola Format. Es kann nur das Licht in
Fahrtrichtung ein- und ausgeschaltet werden. Soviel zu den Gemeinsamkeiten.
In der Ausführung unterscheiden sich die beiden Modelle dann doch erheblich.
Die Modelle
Das Piko Modell
In bekannter Piko Tradition ist
dieses Fahrzeug mit einem sehr schweren Zinkgussrahmen ausgestattet. Der
grosse DC-Motor ist längs eingebaut und wirkt kräftig. Der Billig-Decoder -
ein Uhlenbrock AnDi - liegt unbefestigt auf einem aufgeklebten Gewebeband
und ist ohne Schnittstellenstecker ausgeführt. Die Zugänglichkeit zur
Mechanik für Wartungsarbeiten ist zufrieden stellend.
|
Etwas fehlt doch hier... (?)
Vor allem bei der Dachpartie ist gespart worden. |
Das leichte Gehäuse ist aus
Kunststoff gefertigt, die Detaillierung eher knapp. Bei der Ausführung der
Dachpartie wurde klar zu Gunsten des Preises kräftig gespart. Es sind nur
zwei Pantografen vorhanden, obwohl das Vorbild als Zweisystemlok deren vier
aufweist. Die Pantografen selber wirken klobig und plastikhaft, die
Isolatoren sind da wesentlich besser und glaubwürdiger ausgeführt. Die Dachleitungen, welche zusammen mit
den Isolatoren aus einem Stück gefertigt sind, sind etwas dick geraten. Dies
wohl um auch bei unsanfter Behandlung nicht gleich zu zerbrechen.
|
Hier ist viel Metall vorhanden. Der schwere
Gussrahmen trägt dazu bei, auch ohne Haftreifen eine akzeptable
Zugkraft zu erreichen. Der Decoder liegt einfach oben auf. |
Auffallend sind die Räder. Als
glänzende Scheiben wirken diese doch sehr spielzeughaft. In neueren
Ausführungen soll dieser Mangel allerdings beseitigt worden sein und Räder
mit angedeuteten Scheibenbremsen eingesetzt werden. Haftreifen sind keine
vorhanden.
|
Die in neueren Modellen eingesetzten Radsätze
(Bild links) erscheinen um Welten Vorbild getreuer als die hier verwendeten Radsätze.
|
Die
Beleuchtung ist mit jeweils einer Glühlampe vorne und hinten gelöst. Ein in
schwarzem Kunststoff eingehüllter Lichtleiter sorgt dafür, dass das Licht
exakt dort austritt, wo die Lampen sind.
Das Märklin Modell
Märklin will offensichtlich mit
diesem Produkt den Billiganbietern ein qualitativ besseres Modell entgegen
setzen und dabei den vorgegebenen Preis nicht nur erreichen, sondern noch
unterbieten.
|
Der Gesamteindruck stimmt. Aber auch dieses Modell
ist nicht makellos. |
Unüblich für Märklin wurde hier
wohl aus preislichen Gründen deshalb auf einen Motor aus eigener Fertigung
verzichtet und stattdessen wie Piko ein chinesischer Standardmotor
verwendet. Dieser ist im Vergleich zum Piko-Modell erstaunlich klein
ausgefallen. Ob sich damit eine ausreichende Zugkraft ergibt, wird später in
diesem Artikel erörtert. Die Mechanik ist im Zinkgussrahmen montiert,
welcher auf der Unterseite eine Aussparung für einen Lautsprecher sowie eine
Durchführung für die entsprechenden Anschlüsse besitzt. Der Spezial-Decoder
ist oberhalb des Motors angeordnet und mit diesem fest verbunden. Die LED
für die Beleuchtung vorne und hinten sind über flexible Leiterplatten mit
dem Decoder verbunden.
Das schwere Gehäuse der Märklin
Lok ist ebenfalls aus Zinkdruckguss hergestellt, was der Lok zu einem
ähnlich hohen Gewicht wie der Piko Lok verhilft. Auch bei diesem Modell
wurde die Detaillierung knapp gewählt, die Lampen sind auffallend
hervorstehend. Im Gegensatz zum Piko Pendant besitzt das Märklin Modell
jedoch vier Pantografen, deren Detaillierung überzeugt. Auch hier ist es
nicht vorgesehen, damit echten Oberleitungsbetrieb zu fahren. Die
Dachleitungen wirken plastikhaft und recht grob.
|
Moderne, aufgeräumte Bauweise: Mit flexiblen Leiterplatten
kann
die Lok in kürzester Zeit zusammengesetzt werden. |
Die angedeuteten Scheibenbremsen
verhelfen der Lok zu einem Vorbild getreueren Eindruck.
Zwei diagonal an einem Drehgestell angeordneten Haftreifen sollen der Lok zu
mehr Zugkraft verhelfen.
Die Lampen sind mit gelben
Leuchtdioden realisiert, das Licht tritt ungleichmässig aus den Öffnungen
aus und wirkt dadurch unecht.
Gegenüber
|
|
Beim Piko Modell sind die Regenrinnen blau statt rot,
Türgriffe und Griffstangen sind farblich nicht hervorgehoben. Die
Farbübergänge sind recht unscharf. Gut gelungen sind die Lampen. Die
Handgriffe vorne sind nur angedeutet. |
Beim Märklin Modell gefallen die hervorgehobenen
Türgriffe und Griffstangen, aber die Warnhinweise und die Beschriftung an der vorderen
seitlichen Frontpartie fehlen gänzlich. |
Fahreigenschaften
Das Piko Modell läuft etwas
schnell, aber doch praktisch lautlos an. Dieser recht ruhige Lauf zieht sich
über den gesamten Geschwindigkeitsbereich fort. Die Übergänge der Fahrstufen
sind etwas ruckartig. Keinerlei Probleme hat die Lok auf C-, K- und
M-Gleisen und Weichen, was für die Kompetenz der Firma Piko auch bei
Mittelleiter-Loks spricht. Die kleinste Geschwindigkeit ist gut, die
maximale Geschwindigkeit ist etwas hoch angesetzt.
Das Märklin Modell ist im Betrieb
etwas lauter als das Piko Modell, aber dennoch sehr ruhig. Die unterste
Fahrstufe ist deutlich höher, die Höchstgeschwindigkeit gefällt besser als
beim ersten Modell.
Zugkraft
Die Messung der Zugkraft zeigt
eindeutig, dass Märklin mit den beiden Haftreifen trotz kleinerem Motor
deutlich im Vorteil ist. Während das Piko Modell schon bei 75g mit
durchdrehenden Räder still steht, kann das Märklin Pendant noch lange
weiterziehen. Erst bei circa 160g fängt die Lok an zu schleudern, bei 185g
ist Schluss. Da beide Haftreifen auf einem Drehgestell sind, ist es nicht
erstaunlich, dass die Zugkraft bei unterschiedlicher Fahrtrichtung variiert.
Mit dem Schleifer hinten ist die Zugkraft etwas geringer, aber immer noch
doppelt so hoch wie bei der Piko Lok. Ein einziger Haftreifen bei der Piko
Lok wäre angebracht gewesen und hätte die gemessenen Werte massiv verändert.
|
Schleifer voraus |
Schleifer hinten |
Märklin |
185g |
165g |
Piko |
75g |
75g |
Fazit
Beide Modelle können als gelungen
bezeichnet werden. Das Märklin Modell gefällt auf den ersten Blick besser
als das etwas ältere Piko Modell. Nimmt man die Modelle in die Hand, wird
dieser Eindruck noch verstärkt; das Metallgehäuse der Märklin Lok zeigt hier
seine Wirkung. Die Fahreigenschaften beider Modelle sind erwartungsgemäss
nicht überragend, aber doch absolut akzeptabel. Die Optik beider Modelle
könnte mit Dachleitungen aus lackiertem Draht ordentlich aufgewertet werden.
Die Zugkraft setzt dem Piko Modell enge Grenzen, was die Anhängerzahl und
damit zu bewältigende Steigungen betrifft. Sie reicht für eine
Hobby-Ausführung durchaus, längere Züge können aber nicht eine Steigung oder
einen Gleiswendel hochgezogen werden. Hier trumpft die Märklin Lok auf. |